Gesammelte Informationen und Gedanken zur Indianischen Lebensweise
von Marco Siegmann
Der unmögliche, ja fast an Perversion grenzende Egoismus der weißen Rasse, findet seine besondere Deutlichkeit im Eroberungswahn, der auf den beiden "amerikanischen" Kontinenten von 1492 bis in das späte 19. Jahrhundert hinein Angst und Schrecken verbreiten sollte.
Europa war um 1500 - gegenüber dem mächtigen Aztekenreich mit seinen 20 Millionen Menschen - ausgesprochen klein. Die britischen Inseln beherbergten fünf, Spanien ungefähr acht Millionen Menschen. Europa erwachte gerade aus dem mittelalterlichen Chaos und quoll über vor Armut und Krankheiten. Die letzten brauchbaren Straßen waren vor über 1000 Jahren von den Römern gebaut worden. Die sehr schnell anwachsenden Städte waren in ihrer Struktur ohne Planung und ohne sanitäre Anlagen. Kam es zu Hungersnöten oder Seuchen, so war der Staat völlig unfähig, den Betroffenen zu helfen. Die Lebenserwartung schwankte zwischen knapp Zwanzig und Anfang Dreißig. Die Leistungen des damaligen Europa beschränkten sich nur auf technischer Natur, nicht sozialer, und es befand sich somit in einem Zustand, in dem die Menschen verzweifelt genug waren, den Kontinent zu verlassen.
Neben der arroganten Gewalt, mit der die Europäer über die Ureinwohner der Neuen Welt herfielen, löschten in erster Linie die eingeschleppten Krankheiten (später genutzt als biologische Kampfmittel) die einheimische Bevölkerung aus. Pocken, Masern, Grippe, Pest, Gelbfieber, Cholera und Malaria, alle auf der westlichen Halbkugel vor 1492 völlig unbekannt, wirkten sich, aufgrund der fehlenden Immunität, verheerend aus. Ein Augenzeuge berichtete:
"Die Indianer sterben so schnell, dass der bloße Anblick und Geruch eines Spaniers dazu führt, dass sie den Geist aufgeben."
Die Seuchen der Alten Welt hatten bereits die Hälfte der Population der Azteken-Maya-Inka-Zivilisationen ausgerottet, bevor diese schließlich von den Eindringlingen gestürzt wurden. Der große Tod wütete über ein Jahrhundert lang. Bis zum Jahre 1600, nachdem 20 Wellen der Pestilenz die beiden Amerika heimgesucht hatten, war nicht einmal mehr ein Zehntel der Urbevölkerung übrig. Es mag an die 90 Millionen Opfer gegeben haben, was, in unsere heutigen Zahlenverhältnisse übersetzt, einem Verlust von einer Milliarde Menschen entspräche. Es war das größte Massensterben in der Geschichte der Menschheit.
Mit der Eroberung Amerikas wurden sämtliche der einheimischen Kulturen in ihrer Entwicklung grausam unterbrochen. Was der Welt damit verloren ging, beginnen wir erst jetzt zu begreifen, denn etwas unterscheidet indianisches Denken und Lebenshaltung grundsätzlich von unserem Denken und Einstellung zum Leben. Für uns ist der Mensch der "Herr der Schöpfung" und als solcher berechtigt, die Natur zu unterwerfen. Der Indianer hingegen fühlt sich als Teil dieser Erde, und deshalb ist sein Verhältnis zur übrigen Schöpfung von einem Respekt bestimmt, den wir nicht besitzen. Wären wir nicht als Eroberer gekommen, sähe unser eigenes Leben vielleicht anders aus. Erst heute, da unsere Rücksichtslosigkeit gegenüber den anderen Geschöpfen sich gegen uns zu wenden beginnt und die vergewaltigte und ausgebeutete Natur uns selbst zu zerstören droht, können wir den Schmerz und die Verzweiflung der indianischen Völker begreifen, die mit ansehen mussten, wie all das, was ihnen heilig war, ebenso wenig geachtet wurde, wie sie selbst...
Jeder Mensch ist in Bezug auf die strahlende Schönheit des Ganzen ein so unscheinbar kleiner Funke, dass es zutiefst lachhaft ist, wenn er sich zum größten Licht seiner Zeit aufspielt. Jedes Tier scheint in seiner Unschuld heller als er!
"Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern nur von unseren Kindern geliehen!"
Die Ungeborenen haben nicht weniger Anspruch auf den Reichtum dieser Erde als die Lebenden.
Während seiner Lebenszeit ist der Mensch bloß Verwalter seines Stückes Land (sofern, er welches besitzt); was er von seiner Mutter erbte, muss er an seine Kinder weitergeben.
Kein Mensch kann das Land, das Wasser, die Luft, die Erde und alles, was unter ihr liegt, als sein Privateigentum besitzen. All das gehört allen gemeinsam. Wenn die Menschen überleben wollen, sollten sie diesen Standpunkt übernehmen, je schneller, desto besser - es bleibt nicht mehr viel Zeit, darüber nachzudenken.
Alle Geschöpfe leben auf ein Ziel hin, selbst ein noch so unscheinbares Tier kennt dieses Ziel - nicht mit dem Verstand, aber doch irgendwie. Nur die Menschen sind so weit gekommen, dass sie nicht mehr wissen, warum sie leben. Sie benutzen ihren Verstand nicht mehr, und sie haben längst vergessen, welche geheime Botschaft ihr Körper hat, was ihnen ihre Sinne und Träume sagen. Sie gebrauchen ihr Wissen nicht, das ihnen die Natur geschenkt hat, sie sind sich dessen nicht einmal mehr bewusst, und so stolpern sie blindlings auf der Straße dahin, die nach Nirgendwo führt - auf einer gut gepflasterten großen Straße, die sie selber ausbauen, schnurgerade und eben, damit sie um so schneller zu dem riesigen leeren Loch kommen, das sie am Ende erwartet, um sie zu verschlingen.
Damals, vor langer Zeit, gab es keine Lehrer, keine Schulen und keine Universitäten, die Menschen hätten besuchen können. Sie waren einst eng mit der Natur verbunden und lernten von ihr. Dann kam die Zivilisation, und der Fortschritt dehnte dieses Band der Verbundenheit immer mehr, bis es schließlich zerriss und die Zerstörung der Natur begann.
"Ich stand auf dem höchsten aller Berge, und ringsum in der Tiefe lag der ganze Erdkreis. Und während ich dort stand, sah ich mehr, als ich erzählen kann, und verstand mehr als ich sah; denn ich schaute in heiliger Entrückung die Gestalt aller Wesen, und ich sah die Form aller Formen im Geist und wie alle Lebewesen eins wurden. Und ich sah, dass der heilige Ring meines Volkes einer von vielen Ringen war, die miteinander einen Kreis ergaben, weit wie das Licht des Tages und das Licht der Sterne, und in der Mitte dieses Kreises wuchs ein mächtiger blühender Baum, der allen Kindern der einen Mutter und des einen Vaters Schutz gewährte." (HEHAKA SAPA)
"Behandle alle Menschen, als wären sie mit dir verwandt!" (SPRICHWORT DER NAVAJO)
Jede Eigeninitiative ist verloren gegangen, Junge und Alte sind fügsam bis zur Unterwürfigkeit geworden. Das System hat sie zu Schatten ihrer selbst gemacht. Wenn es stimmt, dass manche Menschen groß und bedeutend sind und andere nicht, dann zweifle ich daran, dass die Reihen der Großen aus Politikern und Millionären bestehen!
NAHE DEN BERGEN
klingt der Felsboden
hohl
unter den Schritten
Er sagt dir: Denk daran,
die Erde ist eine Trommel.
Wir müssen sorgsam
auf unsere Schritte achten,
um im Rhythmus zu bleiben.
(JOSEPH BRUCHAC)
Die Erde ist schön.
Der Himmel ist schön.
Mein Volk ist schön,
mein Herz ist voll Freude.
Wofür es sich lohnt
zu leben,
dafür lohnt es sich auch
zu sterben.
(J. L. WOLF)
AM WEGRAND
Ein glänzender Stein am Wegrand.
So klein - und doch so schön.
Ich hob ihn auf.
Er war so schön!
Ich legte ihn wieder zurück
und ging weiter.
(CALVIN O. JOHN)
Wakan Tanka
bin nicht mehr taub
kann dich wieder hören
die vierflüglige Libelle
flüsterte mir zu
wir sind Brüder
Ich höre deine Stimme
im Wind, in den Bäumen...
Ich laufe durch das hohe Gras
nicht mehr alleingelassen
mit Mutter Erde wieder vereint
Ich zog sie an mich
und hörte die Ameisen reden
die nie den alten Weg vergaßen...
Ich bringe die heiligen Steine
(TAHKA ISNALA)
"Trotz ihrer modernen Erfindungen können die Weißen nicht so leben wie wir, und wenn sie es versuchen, sterben sie, denn sie verstehen nicht, was die Sonne sagt, wenn sie untergeht, und sie hören nicht die Stimmen der Alten im Wind. Der Wolf ist wild, aber er ist unser Bruder, er lebt auf die alte Weise, doch der Saganash, der weiße Mann ist wie ein Welpe und stirbt, wenn der Wind ihn anbläst, denn er sieht bloß Bäume und Felsen und Wasser, nur die Außenseite des Buches - und kann es nicht lesen." (ANAQUONESS)
Erst wenn wir Menschen gelernt haben, unseren Mitgeschöpfen Ehrfurcht und Achtung entgegenzubringen, werden wir uns selbst achten. Nur durch diese Selbstachtung gewinnen wir den Respekt der Anderen!
Marco Siegmann, im September 2005
Quellenverzeichnis
- Indianische Weisheiten, Ars Edition (1998)
- Fremde Pfade - ferne Gestade. Wagnis und Abenteuer der grossen Entdeckungen, Erich Rackwitz (1990)
- National Geographic
- Internetrecherche
|